Hank Bukowski zu Besuch

Der Mann hat eine kleine Pause. Die verbringt er mit Bukowski. Dieses Mal sind es Videos vom Poeten aus L.A, die er anschauen will. Der Mann sucht ein intelligentes Gespräch mit seinem Liebling. Auf dem Netz gibt es aber nur Schrott. Bukowski in einer französischen Fernsehsendung, der Moderator stellt dumme Fragen. Oder Bukowski auf einer Schaluppe im Hamburger Hafen, er fotographiert. Sonst nur noch ein künstlerisch wertvolles Video in dem Sätze aus einem Gedicht vom Säufer aus L.A. über den Bildschirm schwirren.
Der Mann ist enttäuscht. Er hatte ein paar interessante Interviews mit Buk gesucht. Vielleicht hätte er etwas darüber lernen können, wie man interessante Geschichten schreibt. Aber die Videos zeigen nur einen Alten, der immer lächelt und doch nichts sagt. So hatte er sich den Schriftsteller nicht vorgestellt gehabt. Einsilbig, mehr nachfragend, als irgendetwas Schlaues von sich gebend.
Vielleicht war das ganze Genie von Bukowski doch nur eine einzige Show?, denkt der Mann. Aber das denkt er nicht lange. Bukowski ist ein genialer Geschichtenerzähler, ein Poet des Lebens. Der Mann nickt unbewusst sein eigenes Statement ab.
"Tja, wenn du tatsächlich glaubst, ich sei ein grosser Schriftsteller, dann wird es wohl stimmen", sagt Bukowski.
Der Mann hebt den Kopf hin zu Buk. "Ich finde das wirklich, Buk. Du bist ein einzigartig guter Geschichtenerzähler."
"Das ist nett von dir zu sagen. Aber gib mir mal lieber die Flasche rüber."
"Welche Flasche?"
"Die Flasche Whiskey, die du in deinem Schrank hast."
"Ich habe keinen Whiskey im Haus," sagt der Mann und überlegt. "Vielleicht gibt es noch eine Flasche Weisswein in der Küche."
"Hast du Bier?"
"Kein Bier, sorry."
"Dann lass gut sein, Sternlein. Ich verschwinde."
"Wo willst du hin?"
"Bier holen. Vielleicht bleib ich auch bei einer Nutte hängen, sofern es genug Arsch gibt."
Bukowski zieht am Mann vorbei, zeigt ihm nur seinen Rücken, die speckigen halblangen Haare. Dann ist er weg.
Enttäuscht geht der Mann in seine Küche. Eine einsame Halbliter Flasche Kochwein schaut ihn aus dem Kühlschrank an. Seit ewigen Zeiten steht diese Flasche dort. Es gab noch keinen Grund sie zu öffnen. 
"Du Riesenarschloch", sagt die Flasche.

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