Schaffen müssen

Der Mann hat für Geld arbeiten müssen. Vom Schreiben alleine kann er nicht leben. Also verdingte er sich wieder in der Seifenfabrik.

Keine schöne Arbeit.

Immerhin ist sie bezahlt.

Die Firma kennt er schon seit mehr als 10 Jahren. Sie ist gleich wie früher, nur noch kaputter. Süsslicher, zugleich leicht modriger Duft liegt auf dem Gelände, die Farbe an den Gebäuden abgeblättert. Die Leute sind eher dumpf, aber meist anständig, außer ein paar ganz Dummen. Die schleichen hinterhältig herum und schauen dich mit Messern in den Augen an.
Der Chef des Mannes ist okay. Es ist derselbe wie vor 12 Jahren. Zusammen stehen sie an der Abfüllanlage. Der Chef - auch er nur Arbeiter - bedient die Abfüllstation. Der Mann schichtet große Plastikkannen auf. Die werden mit Industrieseife (Flüssig, 40 kg) gefüllt. Wenn die Waage piepst, zieht der Mann die schweren Behälter weg, stellt neue leere unter die Einfüllstutzen. Dann drückt der Chef einen Kopf, bis es wieder piepst.
Die Arbeit ist sterbenslangweilig. Aber es ist Arbeit. Man macht sie stundenlang, lebt nur in den Pausen.

15 Minuten.

Am Ende der Woche sind die Leute fröhlicher, am frühen Nachmittag bereits erregt, denn schon ab 15 Uhr werden keine neuen Chargen mehr erstellt, fliesst keine Seife mehr. Die langen Leitungen aus dem oberen Stock werden gesäubert, gereinigt, bis sie frei sind und nicht rosten können.
Dann sind es nur noch 28 Minuten bis zum langen Läuten. Es gibt nichts mehr zu tun, nur warten. Ein Moment der Freiheit, der Ruhe. Man sitzt zusammen auf dem Hosenboden, braucht nicht mehr zu sprechen. Der Chef schnipselt an einem Apfel, bietet dem Mann einen Schnitz an.
Auf einmal ertönt ein Jodel. Er kommt brummend aus einem der langen Leitungsrohre. Es kommt von einem oberen Stockwerk.
Der Mann erschrickt über diesen freudigen Gesang, obwohl er ihn doch kennen müsste. Vor 12 Jahren schon kam der Juchz am Ende der Woche aus dem oberen Stockwerk. Jedes Wochenende kam er.
Der Mann denkt an den Mann, den Geist, im oberen Stockwerk. Gesehen hat er ihn nie. Nur immer gehört.
„Jodelt der immer noch? Über all die Jahre?“ fragt er den Chef.
Der kaut seinen Schnitz sorgfältig, schluckt dann hinunter. Er nickt.

Dann doch lieber bloggen.



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