Manuskriptangebot: "Der Junge und der Mann"

Sternlein hat eine grosse Erzählung geschrieben. In seinem Manuskript "Der Junge und der Mann" zeigt er Fragmente und splittrige Erinnerungen aus dem Leben eines Jungen, der in den späten 60-er und frühen 70-er aufwuchs. Daneben werden heutige Episoden aus dem Leben dieses zum Mann gewordenen Menschen erzählt. Wir können erkennen, was den Jungen geprägt hat und wie sich diese Prägungen im Leben des Mannes auswirken - im Guten, wie im Bösen. 


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Textauszüge aus dem Manuskript "Der Junge und der Mann" von Sternlein. copyright und alle Rechte bei Sternlein.



Der Junge und der Mann


von Sternlein



© und alle Rechte by Sternlein

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Nachfolgend ein Fragment aus dem Leben des Jungen.
 

Revolution

Der Junge besitzt Legobausteine und rechteckige Grundplatten. Die Platten sind kaum grösser als Schokoladentafeln. Auf die Noppen an der Oberfläche stöpselt der Junge seine Steine auf. Es sind nur wenige Steine, die er besitzt. Das Geld der Eltern reichte nur für ein paar Hände voll Legosteine.

            Kinderhände.

Der Junge bastelt ein Flugzeug. Vom vorderen Drittel der Legoplatte aus steckt er Flügel aus Legosteinen an die Platte, den Rumpf. Die Steine würden nicht halten in der Luft, aber der Junge arbeitet geschickt von der am Boden liegenden Platte aus.
Das halbe Dutzend Steine, das den Flügel bildet, wird sorgfältig fixiert. Über je die Hälfte von zwei Steinen kommt ein dritter Ganzer obenauf als Halt für die beiden anderen. Das Höhenleitwerk wird ebenso gebildet wie die Flügel. Das Seitenleitwerk ist hingegen noch einfacher zu erstellen. Der junge Ingenieur schichtet einfach Stein auf Stein.
Das Flugzeug ist mehr als krude in der Form. Der Junge sieht das nicht. Er kennt den Flugzeugtyp genau. Für ihn ist sein Werk perfekt. Es sieht das Cockpit mit den zwei Piloten und dem Navigator. Verzückt blickt er durch zwei Steine, die Frontscheiben. Die Piloten machen schon den Check.
Eine Douglas DC-8 steht auf dem Boden im Wohnzimmer. Jetzt werden die Triebwerke angelassen. Der Junge hört die Motoren sirren, dann ein hohes Pfeifen, dann peitscht der erste Schub. Er sieht die Düsen schliesslich gewaltig vibrieren. Die Schwanzflosse ist nur weiss nur im gebauten Teil vor ihm, so uniform wie die weissen Legosteine selbst. Der Rumpf - die kantige Bodenplatte - ist grau. Der junge Ingenieur jedoch sieht ein Schweizerkreuz auf blutrotem Grund, den roten Zierstreifen entlang des runden Rumpfes. Es sieht die Beschriftung auf dem blank polierten Aluminium.

Swiss Air Lines.

Später am Abend entdeckt der Junge vier Flugzeuge im Fernsehen. Mit riesigen Augen blickt er in das kalte Glas des geringen Schwarz-Weiss-Monitors. Vier Düsenflugzeuge stehen da, das eine schöner als das andere. Auf einem liest er - er kann gut lesen - den Namen einer Fluglinie.

            B.

            O.

            A.

            C.

Der Junge weiss, die B.O.A.C. ist eine englische Linie. Er kennt sogar den Flugzeugtyp. Eine Vickers VC-10. Er hatte das Flugzeug einmal selbst gebaut. Die vier Düsen liegen bei diesem Typ paarweise am Heck. Das Höhenleitwerk ist hoch oben am Seitenleitwerk angemacht. Eine schwierig zu bauende Maschine, die Höhenflossen waren nicht zu fixieren. Aber ein wunderschönes Flugzeug. Grazil und flott und schnell und hochmodern. Dem Jungen überquellen die Augen.
Die schönste Maschine aber ist eine DC-8. Der Junge sieht sein Flugzeug prominent in der Wüste stehen. Die Bilder sind krude und ohne Farbe, doch er sieht die blutrote Heckflosse mit dem strahlenden Schweizerkreuz in jedem Detail. Das ist unseres, denkt er und seine Brust schwillt an, weil er die Luft einsaugt wie eine Düse.
Ein paar Tage später sieht er, wie die Flugzeuge gesprengt werden. Urplötzlich zerbersten schwarze Wolken ein Flugzeug nach dem anderen.
Dann sieht er verkohlte Flugzeugleichen. Schwarzer ätzender Rauch steigt weiter auf. Immer neue Schwaden kommen aus den Trümmern, das Rauchen scheint nie mehr aufzuhören.
Noch später tanzen böse Männer auf den gebrochenen Flügeln und kreischen. Ihre schwarzen Maschinengewehre schwingen sie mehr als freudig.
Der Junge weiss noch nicht, dass das Palästinenser sind.



Nachfolgend ein Textauszug  von "Der Junge und Mann" aus dem Leben des erwachsenen Mannes.


Flug

Die Anreise des Mannes ist unruhig. Er musste früh einchecken und ist im Flugzeug doch nicht mehr eingenickt. Jetzt legt sich eine unbarmherzige Müdigkeit über seine Augen, seinen Kopf, seine Schultern und drückt ihn tief in den Sitz. Bleierne Müdigkeit. Der Mann kann den Kopf nicht halten. Er rutscht ihm zur Seite und drückt schwer an die Verkleidung der Kabine. Die Augen hat der Mann offen. Er ist zu erschöpft die Augen nur zu schliessen und schaut lose aus dem Fenster.
Die Landschaft zieht am Mann vorbei. Er folgt ihr nicht mit den Augen, schaut nur irgendwo ins Nichts. Er möchte schlafen, schlafen und kann doch nicht. Zu viel hat er gearbeitet in letzter Zeit, zu vieles dreht ihm noch im Kopf. Sein Körper ist ihm einfach eingefroren, er kann nicht untergehen.
Wir werden wohl bald landen, denkt der Mann den ersten richtigen Gedanken. Die Zeit ist vorangeschritten, der Flug von Zürich nach Belgrad kurz.
            Jetzt schaut der Mann auf die Landschaft. Nimmt wahr, dass die Gegend nur wenig überbaut ist. Die flachen Felder sind rechteckig bestellt. Sie müssen golden, hell- und dunkelgrün sein. Der Mann vermutet es nur, denn durch die dicken Doppelscheiben erscheinen die Farben wie auf einer ausgeblichenen Fotographie. Die Kristalle im Fenster verstärken den Eindruck eines abgenutzten Bildes.
            Von einzelnen Parzellen steigt Rauch auf. Es sind hellbraune Rechtecke. Eine schwarze verbrannte Fläche dehnt sich aus, frisst sich an den Rändern langsam vorwärts in das Gold. An der Front, die wie eine Welle von Öl in Richtung der goldenen Stoppeln treibt, steigt der wirblige Rauch auf. Dem Mann beisst es in der Nase.
            Brandrodung, denkt der Mann. Von dummen Bauern angesteckt um sich die Arbeit zu sparen. Dann denkt er, vielleicht waren die abgeernteten Weizenfelder auch nur zu heiss geworden in der unerbittlichen serbischen Sonne. Haben sich aufgeladen und ein Funke und ein Strohhalm haben genügt.
            Dann kommen Häuser in Sicht. Es sind kleine Häuser, die Mauern rot von den Ziegelsteinen, die noch, immer noch, ohne Verputz sind. Dann kommt die Vorstadt.
Dann die Stadt.
            Sie liegt erstaunlich weiss an gekrümmtem Fluss, scheint wohlgeordnet, dicht überbaut. Was dem Mann sofort auffällt, die grosse Betonbrücke über den Fluss ist zerstört. Eine Fahrbahn ist hässlich abgeknickt. Es sieht aus, als wäre die Brücke einst aus Spielkarten gebaut worden und als hätte ein Tritt daran die Karten verworfen. Ein anderes Fahrbahnstück hängt an einer Seite noch am Pfeiler, das andere Ende sticht ins Wasser. Eine zweite Betonplatte, fast am Ufer, ragt ebenfalls schräg ins Wasser. Zwischen noch zwei Pfeilern fehlt die Fahrbahn völlig. Das abgerissene Stück liegt wohl unsichtbar versenkt im Fluss, behindert noch unter Wasser den Verkehr der Schiffe.
            Der Mann rückt näher ans Fenster, dreht den Kopf um besser zu sehen, aber sein Flugzeug zieht gleichmässig vorbei, die Stadt mit der kaputten Brücke wird unerbittlich überdeckt vom grossen Triebwerk des Flugzeugs.
            Airbus steht darauf.
Und Rolls Royce.

In Belgrad gelandet, wird der Mann abgeholt. Ein Fahrer trägt sein Gepäck zum Auto.     Als sie im Stau stehen, kommen sie ins Gespräch.
Ich habe eine Stadt gesehen. Die Brücke war kaputt, sagt der Mann und beschreibt, was er gesehen hat.
Das muss Novi Sad gewesen sein, meint der Fahrer in gebrochenem Englisch und fährt wieder an.
Später fahren sie an drei gleichen Gebäuden vorbei, das heisst, es stehen nur noch die Gerippe von den identischen Gebäuden, vielstöckig jedes, in Reih und Glied nebeneinander gebaut. Im ersten Gebäude klafft ein gewaltiges Loch und bricht die Symmetrie. Es sieht aus, als ob ein Riese mit einer Faust aus den Wolken heraus in das Gebäude geschlagen hätte. Ein Dutzend Stockwerke hat die Faust glatt durchschlagen. Auch sind die Scheiben alle herausgeplatzt, der Mann sieht quer durch die Gerippe der verkohlten Häuser hindurch.
Was ist hier geschehen?, fragt er und der Fahrer antwortet ohne den Kopf zu wenden. Das war die NATO.
Was sind das für Gebäude?, fragt der Passagier im Fonds, beeindruckt, wie präzise das Loch in das Haus geschlagen wurde.
Die Fernsehstudios von RTS, erklärt der Mann. Er zündete eine Zigarette an. Dann wendet er den Daumen und zeigt auf eines der Gebäude ohne hinzusehen.

Er sagt.

Da drüben starb eine Frau.

Der Mann im Fonds verrenkt den Kopf. Er sieht das verwundete Gebäude jetzt von nah.
Dann sieht er plötzlich Joschka Fischer vor sich und hat diese leicht schnarrende, leicht näselnde, aber immer überzeugte Stimme plötzlich wieder im Kopf.

Er hört ihn wieder reden.




© und alle Rechte by Sternlein
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