Exit am Montag

Der Mann ist schockiert. Aus dem Nichts heraus erzählt ihm eine alte Frau am Tisch, dass sie in 7 Tagen Selbstmord begehen will.
„In sieben Tagen ist Schluss.“
„Schluss mit was?“ hatte der Mann noch gefragt. Er hatte der Rentnerin, die ihm bisher unbekannt war, kaum zuhören können. Die fröhliche Runde am langen Festtisch redet dreifach durcheinander.
„Mit was Schluss ist?“ beugt die Alte sich zu ihm. „Na Schluss mit mir.“
„Mit Ihnen?“
„In genau einer Woche.“
Der Mann schaut die Rentnerin zögerlich an. Selbstmord will sie machen? Wie kommt denn das.
Die Frau erzählt es ihm. Ein ganzes halbes Leben legt sie dar. In nur fünf Sätzen und ein paar klirrenden Worten. Diabetes. Nierenversagen. Dialyse. Drohende Beinamputation. Genug vom Leben. Endlich Ruhe. Schlafen.
Der Mann ist bestürzt. Das Leben wegwerfen? Und wenn es noch so elend ist? Nein, das könnte er nicht. Ein einziges Prozent Freude genügt ihm schon. Er sagt es der Frau.
Die Frau hört nicht zu. Sie ist schon jenseits dieser bestimmten Grenze. Sie redet von Schmerzmitteln, Hoffnungslosigkeit, Selbstbestimmung, sieben Tagen.
Der Mann ist erschüttert. Seine Worte der eigenen Vernunft prallen an der Frau ab. Sie ist hart. Hart geworden von ihrem Leben.

Starr.

Die Frau berichtet weiter. Totenruhe. Abschied nehmen. Ins Licht gehen. Engelwesen. Himmel.
Der Mann gibt es auf. Er möchte reden mit der Frau. Doch ein Gespräch mit ihr ist schlicht unmöglich. Was kann er hier noch tun? Vielleicht kann er sein Mitgefühl ausdrücken?
Der Mann legt ihr seine Hand an den Oberarm und hört für einmal einfach zu.







Subway in New York, A train, New York City, 1993
















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2 Kommentare:

  1. http://abouthumanthings.blogspot.com/2010/12/einmal-sinn-und-zuruck.html

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  2. Liebe LeaLillith

    ganz herzlichen Dank für das Crosspost auf deinem Blog. Gerne empfehle ich auch deinen Blog abouthumanthings (siehe oben).

    Liebe Grüsse von Sternlein

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Danke für deinen Post!