Einfach Shoppen

Der Mann geht shoppen. Ein ganzer Tag ist verplant dafür. Er macht es seiner Freundin zuliebe. Frauen! Können nie genug haben von allen Sachen. Hauptsache die Dinge sind schön und glitzern, egal wie unnötig sie sind.
Der Mann hält sich gut, spaziert neben seiner Frau im grössten Kaufhaus des Landes her. Er schaut dieses und jenes an. Redet sogar ein wenig.
„Gefallen dir diese Schuhe?“, fragt er interessiert.
Seine Freundin dreht den halbhohen Stiefel am Fuss vor dem Spiegel. Sie schaut kritisch.
„Die sind schön, nicht?“
Die Frau zieht den Reissverschluss des Stiefelchens hinunter, schiebt es achtlos zur Seite. Schweigend und mit ernster Miene probiert sie das nächste Paar.
„Die sind besser, ja?“
Die Frau schüttelt leise den Kopf, nimmt die nächsten Schuhe.
Später gibt’s noch Jeans, Schals, eine Wintermütze, wieder Schuhe. Den Mann würden Bücher interessieren. Aber er bleibt seiner Freundin treu.
Irgendwann ist es doch zuviel. Er kann nicht mehr.
In der Mitte der grossen Shoppingmall sieht er eine Piazza. Darin steht prominent eine kleine runde Kaffeebar.
„Ich möchte einen Kaffee trinken gehen, ich muss mal sitzen“, spricht er zu seiner Freundin, die einen Kaschmirpullover untersucht. „Ist es o.k., wenn ich dort auf dich warte?“
Nur kurz löst die Freundin den Blick vom Kleiderstück. Sie schaut hin zu dieser Bar, dann nickt sie knapp.
„Also bis nachher, kommst du dann?“
„Ja“, bestätigt die Freundin tatsächlich und fährt schon wieder über die Wolle.
Also kann der Mann endlich sitzen, die Füsse strecken. Sofort spürt er seine Erschöpfung von den Dingen dieser Welt.
Er ruckt sich ein letztes Mal in den Sitz zurecht. Dann sitzt er still.
Er atmet ruhig ein, dann aus.
Um ihn herum gehen Tausend Leute. Die einen gehen von links nach rechts, die anderen in umgekehrter Richtung. Aus allen Gängen strömen sie hinein in diesen Platz und wieder hinaus irgendwo. Alle scheinen das gleiche  Ziel zu haben. Kaufen, was man kann. Es scheint kein Ende zu nehmen.

Ein Ameisenhaufen!

Der Mann hat keine Eile mehr. Er sitzt still und nimmt sich einfach seine Zeit. Er fühlt sich wie die Königin des Stamms.
Später kommt seine Freundin. Sie müssen nochmals zurück, wo es diese kecken Stiefeletten gab, die mit den halbhohen schwarzen Absätzen und den Porzellankügelchen an Lederriemchen als Accessoires - von Bally natürlich.
„Was, nochmals zurück? Ich mag nicht mehr.“
„Männer“, denkt seine Freundin und schüttelt entnervt den Kopf.






Times Square New York City, 1993

















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