Die klinisch reine Wohnung


Der Mann denkt an seine vergangene Freundin. Sieben Jahre war er mit ihr zusammen. Dann hat sie ihn gelöscht.
Die Trennung kam zwar nicht unerwartet, aber die Heftigkeit der Trennung hatte ihn überrascht. Nach sieben Jahren Gemeinsamkeit hatte er geglaubt, dass etwas mehr Gemeinsamkeit geblieben wäre. Er zumindest macht heute noch Sachen, die er ohne diese Beziehung nicht tun würde. Er geht manchmal am Fluss spazieren, schneidet die Fingernägel akkurat, wie sie es immer gewollt hatte. Die Hosenbeine trägt er länger als früher, die Mode sowieso ausgesuchter. Solch kleine Dinge sind es, die ihm geblieben sind, als Erinnerung an eine gute Zeit.
Seine Freundin hatte anderes im Sinn. Mit der Trennung wollte sie ihn ganz loshaben, seinen Körper, den Geist, und jeden Gedanken an ihn. Also säuberte sie ihre Wohnung auch von jeglichem Andenken an ihn, nachdem er bereits weggezogen war. Als sie fertig damit war, musste er sein zurückgelassenes Zeugs abholen gehen. Er war ganz erstaunt gewesen, wie viel da noch zusammengekommen war. Kugelschreiber, alte Tässchen, rote Kissenbezüge, ein Kaktus. Ueber 100 Dinge hatte seine Freundin zusammengetrieben, die er schon längst vergessen hatte. Erstaunt nahm er wahr, wie sie ihre Wohnung klinisch gereinigt hatte und jegliches Ding vertrieben hatte, das sie wie ein Bazillus wieder mit ihm hätte infizieren können.  
„Nichts, aber auch gar nichts wird an mich erinnern“, trauert heute noch der Mann.
Dann denkt er: „Doch, wenigstens etwas wird es geben, das sie an mich erinnern wird.“ Und er sieht sich wieder, wie er ihr den Scooter erklärte, damals in Griechenland. „Nie mit der Vorderbremse zuerst bremsen“, belehrte er sie. „Immer zuerst mit der Hinterbremse beginnen, erst danach die Vorderbremse ziehen. Sonst jagt es dich hinaus in einer Kurve.“
Klinisch rein war die Wohnung der Freundin, ja, aber wenigstens an diese eine Sache wird sie sich erinnern. Der Mann lächelt mit zusammengekniffenem Mund. Hoffentlich wird sie sich an seinen Ratschlag erinnern, wenn sie in den Ferien wieder Motorrad fährt und der Asphalt in der Kurve weich ist von der prallen Sonne, oder es rutschig ist vom Sand.
Und wenn nicht? Wenn sie ihn komplett vergessen konnte?
Dann wird sie es elendiglich bereuen.


















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2 Kommentare:

  1. du hast einen blog award bekommen:
    http://abouthumanthings.blogspot.com/2011/01/liebster-blog.html

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  2. Ganz lieben Dank LeaLillith. Das hat mich ausserordentlich gefreut. Merci!

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Danke für deinen Post!